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Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten trotz LSBTIQ*-Verfolgung geplant

LSVD kritisiert neuerliche Asylverschärfung im Innenausschuss und überreicht Petition

Berlin, 06. November 2013. Am heutigen Montagnachmittag hat der Innenausschuss des Bundestags über die Einstufung weiterer Staaten als "sichere Herkunftsländer" beraten. Die grüne Bundestagsfraktion hatte Patrick Dörr dazu eingeladen, für den Lesben- und Schwulenverband (LSVD) eine Stellungnahme zu den Gesetzesentwürfen von Bundesregierung und Unionsfraktion abzugeben. Die Bundesregierung plant die Einstufung von Georgien und Moldau, CDU/CSU und AfD möchten ebenfalls die Verfolgerstaaten Marokko, Algerien und Tunesien listen, in denen queeren Menschen mehrjährige Haftstrafen drohen. Im Nachgang der Ausschusssitzung überreichte der LSVD – vertreten durch Mara Geri – zusammen mit AllOut dem geschäftsführenden Vorsitzenden des Innenausschusses, Lars Castellucci (SPD), die Petition gegen die geplante Erweiterung der Liste, die fast achttausend Personen unterschrieben haben und den Brief des LSVD mit 27 weiteren Organisationen an Budnestagspräsidentin Bärbel Bas gegen das Gesetz. Hier das Eingangsstatement von Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des LSVD, in dem er vor allem die geplante Einstufung Georgiens scharf kritisierte, im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Abgeordnete,
vielen Dank für die Möglichkeit zu einer Stellungnahme, die ich für den LSVD gern wahrnehme. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass nur solche Staaten als sichere Herkunftsländer eingestuft werden dürfen, in denen alle Bevölkerungs- und Personengruppen vor Verfolgung sicher sind, und zwar in allen Landesteilen.

Die Bundesregierung missachtet seit Jahren diese höchstrichterlichen Vorgaben, indem sie an der Listung von Ghana und Senegal festhält – beides Länder, in denen LSBTIQ* vom Staat systematisch verfolgt werden. Daher hat auch das höchste französische Verwaltungsgericht 2021 entschieden, dass Ghana und Senegal nicht als sichere Herkunftsländer gelistet werden dürfen. Auch Georgien und Moldau sind nicht sicher. Teile beider Staaten werden de facto von Russland kontrolliert, was eine Einstufung ganz offensichtlich verfassungswidrig macht. Während darüber hinaus mit Bezug auf Moldau vor allem auch die Lage von Rom*ja und Sinti*zze einer Einstufung im Wege steht, worauf Prälat Dr. Jüsten noch eingehen wird, ist dies mit Bezug auf Georgien vor allem die LSBTIQ*-feindliche Verfolgung.

So hat Dr. Julia Ehrt, die Geschäftsführerin des globalen queeren Dachverbandes ILGA, noch im Mai dieses Jahres im Menschenrechtsausschuss des Bundestags berichtet, dass es in Georgien zwar rechtliche Fortschritte gibt, sich die Lage vor Ort aber sogar verschlechtert hat. Danach, im Sommer dieses Jahres, ist der CSD in Tiflis von mehreren hundert queerfeindlichen Demonstrierenden gestürmt worden – und das, ohne dass die Polizei dies unterbunden hätte. Die georgische Präsidentin Surabishwili beklagte noch am selben Tag, dass – ich zitiere – "dieser Gegenprotest durch die Social-Media-Beiträge, die nicht nur von verschiedenen Zweigen der Regierungspartei, sondern auch direkt von den amtierenden Abgeordneten der Partei verbreitet wurden, angezettelt, erprobt und offen unterstützt wurde".

Dem LSVD sind zwölf Gerichtsurteile und ein OVG-Beschluss bekannt, in denen die Gerichte das BAMF dazu verpflichtet haben, georgischen LSBTIQ* Asylsuchenden aufgrund der queerfeindlichen Verfolgung Schutz zu gewähren. Noch im August begründete das Verwaltungsgericht Halle ein positives Asylurteil folgendermaßen – ich zitiere: "Die Stigmatisierungen und Diskriminierungen der LGBTIQ-Personen durch die georgische Öffentlichkeit haben aber ein solches Maß erreicht, und eine Aufklärung und Verfolgung dieser Taten findet in einem nur derart geringen Umfang statt, dass nicht nur von einzelnen Übergriffen und vereinzelten Schutzlücken, sondern zur Überzeugung der Einzelrichterin einem systemischen Schutzproblem auszugehen ist [...]."

Wie die Bundesregierung in der Begründung ihres Gesetzesentwurfes nun behaupten kann, dass es in Georgien durchgängig keine Verfolgung gäbe, ist daher vollkommen unverständlich. Noch im April hat Belgien übrigens Georgien von der dortigen Liste sicherer Herkunftsstaaten gestrichen, wohl auch aufgrund der queerfeindlichen Verfolgung.

Eine Einstufung Georgiens als sicheres Herkunftsland würde nicht nur die Verfolgung vor Ort bagatellisieren, sondern auch queere Asylsuchende, die bei uns Schutz suchen, in akute Gefahr bringen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Der Lesben- und Schwulenverband freut sich über Spenden, um so seinen Einsatz für die Rechte von LSBTIQ*, besonders von geflüchteten LSBTIQ* aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, leisten zu können. Zum Spendenformular.

 

Weiterlesen:
Aufzeichnung und Stellungnahmen: Anhörung zur Bestimmung Georgiens und Moldaus als sichere Herkunftsstaaten

Schreiben an Bundestagspräsidentin Bas zusammen mit 27 weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Deutschland, Europa und der Welt

Die Stellungnahme wird mitunterzeichnet von den folgenden zivilgesellschaftlichen Organisationen:

  • 6Rang (Iranian Lesbian and Transgender Network)
  • Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V.
  • AllOut
  • BumF – Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge e.V.
  • Bundesweite Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer
  • - BAfF e.V.
  • CSD Deutschland e.V.
  • Deutsche Aidshilfe e.V.
  • International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA –World )
  • European Region of the International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex
  • Association (ILGA-Europe)
  • Initiativausschuss für Migrationspolitik in Rheinland-Pfalz
  • Just Human e.V.
  • Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
  • Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V.
  • Katholisches LSBT+ Komitee
  • Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
  • Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e. V.
  • PROUT AT WORK
  • Rainbow Railroad
  • Rainbow Refugees Mainz
  • Regenbogenforum e.V.
  • Rosa Asyl 2.0 Nürnberg
  • Queeramnesty Berlin
  • Schwulenberatung Berlin
  • Transgender Europe
  • vielbunt e.V. - Darmstadt
  • XENION – Psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte e.V

Dossier zum Maghreb (LSVD)

Länderanalyse der Schweizerischen Flüchtlingshilfe – „, Georgien: LGBTQI+“ vom 06.09.2023

Petition mit AllOut gegen die Einstufung von Georgien und Moldau als „sichere Herkunftsstaaten“ (ca. 8.000 Unterschriften) - Diese Petition kann weiterhin unterschrieben werden!

Die folgenden Organisationen der Zivilgesellschaft haben sich bereits beim Referent*innenentwurf gegen die Listung von Georgien und Moldau ausgesprochen:

Amnesty International Deutschland e.V., AWO Bundesverband e.V., Deutscher Caritasverband e.V., Deutscher Anwalt Verein, Diakonie Deutschland, Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS), Gemeinsame Stellungnahme des Kommissariats der deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin – und der Bevollmächtigten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, KOK – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Menschenhandel e.V., Neue Richtervereinigung e.V., Der Paritätische Gesamtverband, Pro Asyl

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Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) ist ein Bürgerrechtsverband und vertritt Interessen und Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ*). Menschenrechte, Vielfalt und Respekt - wir wollen, dass LSBTIQ* als selbstverständlicher Teil gesellschaftlicher Normalität akzeptiert und anerkannt werden.

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